Das 20. Jahrhundert

Weimarer Republik

In der Weimarer Republik wurde in Person von Jann Berghaus 1922 erstmals wieder ein Ostfriese Regierungspräsident in Aurich. Diese Position hielt er bis zum Preußenschlag 1932 inne.

Ostfriesland als vorwiegend ländlich geprägte Region hatte nach dem ersten Weltkrieg eine wirtschaftlich relativ günstige Phase erlebt. Mit Ihren Überschüssen bedienten die Bauern einen Markt, der schnell wuchs. Während industrialisiertere Regionen und Städte erst später von der Weltwirtschaftskrise getroffen wurden, ergriff diese die Region jedoch früh. Ab 1924 kam es zu einem starken Preisverfall bei Agrarprodukten um bis zu 40 Prozent. Dies führte beispielsweise in der stark von der Landwirtschaft abhängigen Stadt Aurich zu einer fatalen Kettenreaktion. Der Wert der Höfe halbierte sich, die Landbevölkerung verarmte. Dadurch kam es häufig zu Zwangsversteigerungen unter Wert, was mit einer gewissen Verzögerung die Banken in eine Krise führte und schließlich Handwerk und Handel mit sich riss. Maßnahmen der Bezirksregierung, um die Konjunktur wieder anzukurbeln, wie Investitionen in Deichbau- und Landgewinnungsprojekte, die Moorkultivierung und den Bau mehrerer Schöpfwerke, blieben zumeist wirkungslos, was den direkten wirtschaftlichen Erfolg betraf.

Der Landesausbau insgesamt profitierte jedoch. Längerer Erfolg war vor allem zwei Maßnahmen beschieden: Seit 1925 errichteten die Nordwestdeutschen Kraftwerke, die 1921 den Torfabbau in Wiesmoor von der staatlichen Domänenverwaltung übernommen hatten, die mit 30 Morgen (rund 75.000 Quadratmeter) damals größten Treibhausanlagen Europas, die die Abwärme des Torfkraftwerks nutzten. In Leer wurde ab 1923 auf Initiative des Bürgermeisters Dr. Erich vom Bruch die bis dahin landwirtschaftlich genutzte Nesse-Halbinsel am Hafen überplant. Mehrere Industriebetriebe siedelten sich an, darunter eine Fabrik der Deutschen Libby GmbH. Auch entstand dort 1927 der modernste und größte Viehmarkt im Deutschen Reich.

Die Stadt Emden war zudem durch die Ruhrbesetzung durch Frankreich von ihrem Hauptmarkt, dem Ruhrgebiet, abschnitten. Die Ein- und Ausfuhr von Erz und Kohle nahmen deutlich ab. Dadurch kam die heimische Industrie, namentlich der Schiffbau zum Erliegen. Die folgenden Jahre waren geprägt durch eine hohe Arbeitslosigkeit, Streiks, und Rezession.[46] In dieser Zeit breitete sich der bis dato unbedeutende Antisemitismus in Ostfriesland aus, der sich unter anderem gegen den jüdischen Viehhandel richtete, dem manche in der Zeit der damaligen Agrarkrise mit Vorurteilen und Misstrauen begegneten. Vor allem der Fall des Borkumer Pastors Ludwig Münchmeyer, der mit antisemitischen Hasstiraden das Publikum aufhetzte und anschließend im sogenannten Münchmeyer-Prozess gezwungen wurde, sein Amt als Pastor aufzugeben, erregte dabei reichsweites Aufsehen.

1932 wurde in Ostfriesland eine Kreisreform durchgeführt. Der Kreis Weener wurde aufgelöst und in den Landkreis Leer integriert. Der Kreis Emden wurde ebenfalls aufgelöst, nachdem die kreisfreie Stadt Emden bereits vier Jahre zuvor einige Gebiete des Kreises eingemeindet hatte. Der Großteil des Kreises Emden, darunter das Gebiet der heutigen Gemeinden Krummhörn, Hinte und Wirdum, kam zum Landkreis Norden, ein kleinerer Teil (Oldersum, Tergast) zum Landkreis Leer, der dadurch nahezu seine heutige Größe erreichte.

Bei den Reichstagswahlen von 1932 wählten 44,2 % der Stimmberechtigten im Regierungsbezirk Aurich die NSDAP. Die Wahl von 1933 besiegelte schließlich das Ende der Demokratie auch in Ostfriesland.

Nationalsozialismus

Bei den Reichstagswahlen 1932 wählten 44.2% der Stimmberechtigten im Regierungsbezirk Aurich die NSDAP. In den Folgejahren kam es zu einigen Großveranstaltungen mit mehreren Tausend begeisterten Zuhörern. Bei den Reichstagswahlen vom 5. März 1933 erreichte die NSDAP im Landkreis Wittmund mit 71 Prozent der abgegebenen Stimmen ihr Spitzenergebnis.

Mit Verleumdungskampagnen, teilweise auch mit roher Gewalt, wurden nach der Machtergreifung demokratisch gewählte Politiker aus dem Amt gedrängt. In Leer beging Bürgermeister Dr. Erich vom Bruch nach massiven Vorwürfen und Drohungen im Mai 1933 Selbstmord, im Oktober wurde Emdens Oberbürgermeister Dr. Wilhelm Mützelburg nach körperlichen Misshandlungen durch Nationalsozialisten im Wortsinne ?aus dem Rathaus geworfen?. Die Medien wurden gleichgeschaltet, was auf nur geringen Widerstand traf. Wichtigstes Organ der NSDAP war die 1932 gegründete Ostfriesische Tageszeitung (OTZ), die zum regionalen Leitmedium wurde. Durch das vorläufige Gesetz zur Gleichschaltung der Länder mit dem Reich konnte die Reichsregierung Gesetze erlassen.

Zwei Jahre später verbesserte sich scheinbar die wirtschaftliche Lage. Das schon in der Weimarer Republik begonnene Konjunkturprogramm wurde von den Nationalsozialisten in Ostfriesland erheblich ausgebaut. Noch am 1. Januar 1933 hatte Ostfriesland 21888 Arbeitslose zu vermelden, zum Jahresende 1935 waren es noch 248 und bis 1938 sank die Zahl auf 31, was auch der Einführung der Allgemeinen Wehrpflicht geschuldet war, die nach Aurich auch Emden und Leer zu Garnisonsstädten machte.

Verbände und Vereine wurden nach dem Führerprinzip strukturiert, jüdische Mitglieder hinausgedrängt und die freie Marktwirtschaft eingeschränkt. Auch in die Verwaltungsstrukturen griffen die Nationalsozialisten ein: Ostfriesland zählte nun zum Gau Weser-Ems der NSDAP.

Nach der Machtergreifung Anfang 1933 hatten vor allem Juden unter Repressionen staatlicher Organe zu leiden. Sozialisten und Kommunisten wurden in ?Schutzhaft? genommen und zum Teil in Konzentrationslagern inhaftiert. Zwei Monate nach der Machtergreifung und vier Tage früher als in anderen Teilen des deutschen Reiches begann in Ostfriesland der Boykott jüdischer Geschäfte. Am 28. März 1933 postierte sich die SA vor den Geschäften. In der Nacht wurden in Emden 26 Schaufensterscheiben eingeworfen, was die Nationalsozialisten später den Kommunisten anlasten wollten.

In der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 beteiligten sich SA-Truppen an den von der Reichsleitung der Nationalsozialisten befohlenen Novemberpogromen, euphemistisch auch als Reichskristallnacht bezeichnet. In dieser Nacht wurden die Synagogen von Aurich, Emden, Esens, Leer, Norden und Weener niedergebrannt. Die Synagoge in Bunde war schon vor 1938 an den Kaufmann Barfs verkauft und abgerissen worden. Die Synagoge von Jemgum war bereits um 1930 verfallen. Die Synagoge der Jüdischen Gemeinde Neustadtgödens war bereits 1936 aufgelassen und im Juni 1938 an einen Privatmann verkauft worden, so dass das Gebäude verschont blieb. Die Synagoge auf Norderney wurde 1938 verkauft, die in Wittmund war im Juni 1938 auf Abbruch verkauft worden. Erhalten ist heute nur noch die Synagoge von Dornum, welche am 7. November 1938 an einen Tischler verkauft wurde. Männliche Juden im Alter zwischen 16 und 60 Jahren wurden zusammengetrieben und zum Teil stundenlang gedemütigt. Anschließend wurden sie über Oldenburg in das Konzentrationslager Sachsenhausen deportiert, aus dem sie erst nach Wochen zurückkehren konnten. Der Verfolgungsdruck verstärkte sich weiter, und zwei Jahre später, im April 1940, meldeten die ostfriesischen Städte und Landgemeinden dem Regierungspräsidenten, früher als anderswo im Reich, dass sie ?judenfrei? seien.

Zweiter Weltkrieg 

Die Kriegsvorbereitungen begannen auch in Ostfriesland sehr früh. Mit Einführung der allgemeinen Wehrpflicht wurden nach Aurich auch Emden und Leer Garnisonsstädte.

Während des Weltkrieges war Emden als wirtschaftliches wie industrielles Zentrum Ostfrieslands mehrfach Ziel von Luftangriffen, die jedoch zunächst nur geringere Schäden anrichteten. Am 27. September 1943 fanden in Esens 165 Menschen bei einem Bombenangriff den Tod. Das ?Armen- und Arbeiterhaus? wurde völlig zerstört, im Keller des Gebäudes starben 102 Schul- und Landjahrkinder. Esens ? selbst ohne militärische Bedeutung ? wurde als so genanntes ?Target of Opportunity? (Gelegenheitsziel) von verirrten Bombern getroffen, die eigentlich Emden als Ziel hatten. Aurich wurde während des Krieges dreimal bombardiert. Dabei kamen 17 Menschen ums Leben und 24 wurden verletzt. Am 6. September 1944 wurde Emden erneut bombardiert. Beim Angriff alliierter Bombereinheiten wurden rund 80 Prozent der Innenstadt und damit fast die gesamte historische Bausubstanz zerstört, darunter auch das Rathaus. Auf den Werften und an den Hafenumschlagsanlagen richteten die Bomben hingegen nur vergleichsweise geringe Zerstörungen an.

Gegen Ende des Krieges wurde 1944 das KZ Engerhafe errichtet. Die hier unter unmenschlichen Bedingungen Inhaftierten mussten Panzergräben rund um die zur Festung erklärte Stadt Aurich ausheben. Kurz vor der Fertigstellung der ?Rundumverteidigung Aurichs? wurde das Lager am 22. Dezember 1944 aufgelöst. Innerhalb der zwei Monate seines Bestehens starben 188 Häftlinge.

Ende April 1945 erreichten Alliierte Bodentruppen Ostfriesland. Im südlichen Rheiderland wurden durch Flammenwerfer einige kleinere Dörfer und Höfe dem Erdboden gleichgemacht. In Weener wurden durch Häuserkämpfe und Artilleriebeschuss einige Häuser beschädigt oder zerstört. Am 30. April wurde Leer von kanadisch-britischen Truppen eingenommen. Bis zum 2. Mai erreichten sie auch Oldersum und Großefehn.

Am 3. und 4. Mai 1945 verhandelte eine Delegation aus Aurich erfolgreich mit den heranrückenden Kanadiern zur kampflosen Übergabe der Stadt. Diese erfolgte am 5. Mai 1945, nachdem ein am 4. Mai bei Lüneburg unterzeichneter Vertrag zur bedingungslosen Kapitulation der drei in Nordwestdeutschland operierenden deutschen Armeen am selben Tag um acht Uhr in Kraft getreten war.

Nachkriegszeit 

Nach Ende des Zweiten Weltkrieges wurde Ostfriesland Teil der britischen Besatzungszone. Dabei waren auch kanadische Soldaten in Ostfriesland stationiert. In den Niederlanden gab es Überlegungen, einige Gebiete Deutschlands zu annektieren, wobei der Dollart, die Emsmündung und Borkum ins Auge gefasst wurden, um Emden vom Seehandel abzuschneiden. Diese Pläne scheiterten jedoch am Widerstand der Westalliierten.

1946 bildeten die Briten aus den Ländern Hannover, Braunschweig, Oldenburg und Schaumburg-Lippe das Land Hannover, aus dem später das Land Niedersachsen hervorging. Ostfriesland kam als Regierungsbezirk Aurich innerhalb der Provinz Hannover dazu.

Das Land wurde von vielen Flüchtlingen und Vertriebenen aus den Ostgebieten des Deutschen Reiches bevölkert. Lebten 1945 noch etwa 295.600 Einwohner in Ostfriesland, waren es ein Jahr später 364.500, 1948 bereits 390.334. 1950 wurde mit 391.570 Einwohnern das vorläufige Maximum erreicht, unter ihnen stellten die Vertriebenen 16,3 Prozent. Danach nahm die Bevölkerungszahl allmählich wieder ab. 1959 hatte Ostfriesland 358.218 Einwohner, davon 38.678 Heimatvertriebene, was einem Anteil von 10,8 Prozent entsprach.

Die Infrastruktur in einigen ländlichen Gemeinden war nach dem Zweiten Weltkrieg äußerst dürftig. Dies verdeutlicht der folgende amtliche Vermerk.

?1947 hatten noch zwölf Gemeinden [die oft nur aus einem Dorf und seinem Umland bestanden] des Kreises keinen Anschluss an das Straßennetz und waren in den Moorgegenden, aber zum großen Teil auch auf der Geest, von Oktober bis April von motorisierten Fahrzeugen gar nicht und auch sonst nur sehr schwer zu erreichen? ? Kreisverwaltung Aurich: Tätigkeitsbericht 1948 bis 1952, Seite 15

Zwischen 1948 und 1952 wurden allein im Landkreis Aurich (damals bestehend aus dem heutigen Gebiet der Kommunen Aurich, Ihlow, Südbrookmerland und Großefehn) mehr als 113 Kilometer befestigte Straßen ausgebaut, wobei neben Betonbrocken von ehemaligen (Militär-)Flugplätzen im Landkreis Wittmund auch Trümmermaterial der im Krieg stark zerstörten Städte Emden und Wilhelmshaven verwendet wurde.

Der Landkreis Aurich war es auch, der den höchsten Anteil an Kleinwohnungen aufzuweisen hatte. Bereits eine Untersuchung von 1941 hatte ergeben, dass von 11.555 Wohnungen im Landkreis 2.745 als gesundheitsschädlich und 1.819 sogar als menschenunwürdig eingestuft wurden. Dabei spielte besonders der hohe Anteil von Gemeinden in Moorgegenden eine Rolle. Allerdings war die Lage in den Moorgebieten der anderen Landkreise vergleichbar.

Die Arbeitslosigkeit war zu Beginn der 1950er-Jahre außerordentlich hoch. Im Landkreis Aurich kamen per 31. Dezember 1951 auf 1000 Arbeitnehmer 405 Arbeitslose, neben Deggendorf die höchste Arbeitslosenquote in Deutschland. Besonders betroffen waren davon die Vertriebenen.

Der Wiederaufbau nach dem Krieg dauerte in Emden aufgrund der massiven Zerstörungen am längsten. Noch zu Beginn der 1960er Jahre gab es in der Stadt Barackenlager. Von 1959 bis 1962 wurde das Emder Rathaus nach historischem Vorbild wieder aufgebaut ? allerdings in sachlicherem, weniger manieristischen Stil. Die Einweihung wurde bewusst auf den 6. September 1962 gelegt ? also auf den Tag 18 Jahre nach der Zerstörung des Gebäudes.

Wirtschaftswunder, Verwaltungsreformen, kulturelles Eigenbewusstsein

Durch die zunehmende Mechanisierung gingen in der Landwirtschaft zusehends Arbeitsplätze verloren. Das Wirtschaftswunder ging jedoch auch an Ostfriesland nicht vorbei. Industrieller Kern der Region blieb Emden, wo nach Genehmigung durch die Alliierten seit 1950 wieder Schiffe vom Stapel liefen. 1964 wurde mit dem Bau des bis heute wichtigsten Industriebetriebs begonnen, dem Volkswagenwerk Emden. 1977 lief dort der letzte in Deutschland gebaute VW Käfer vom Montageband, seitdem wird dort der VW Passat hergestellt.

Die in den 1970er-Jahren beginnende Werftenkrise führte jedoch sukzessive zu einem Abbau von Arbeitsplätzen, bei der größten Werft Nordseewerke in Emden nach und nach auf das heutige Niveau von etwa 1450 Beschäftigten. Auch der Büromaschinenhersteller Olympia schloss Anfang der 1980er zwei Zweigwerke in Norden und Leer.

Die Stahlkrise einerseits, aber auch die Umleitung der Importe von Erzen nach Rotterdam andererseits bedeuteten für den Emder Hafen einen stetigen Abbau des Umschlags von Erzen und später auch Kohle. Andere Wirtschaftszweige konnten diesen Arbeitsplatzabbau nicht auffangen. Vom Tourismussektor abgesehen, der stets ein stabiler, wenn auch stark saisonabhängiger Faktor auf dem Arbeitsmarkt war, konnten auch Dienstleistungsbranchen in der peripheren Region den Verlust an Arbeitsplätzen nicht ausgleichen. Ostfriesland litt daher jahrzehntelang unter einer überdurchschnittlich hohen Arbeitslosenquote. In der Mitte der 1980er-Jahre lag sie beispielsweise im Bereich der Arbeitsamts-Geschäftsstelle Norden in den Wintermonaten bei etwa 20 Prozent.

1984 wurde in Aurich der Windenergieanlagenhersteller Enercon gegründet, der heute etwa 3000 Beschäftigte in Ostfriesland zählt und auch bei einer Vielzahl von Zulieferbetrieben in der Region Beschäftigung sichert. In den 1980ern begann der Aufstieg Leers zum zweitgrößten deutschen Seereedereistandort nach Hamburg. Größter privater Dienstleistungsbetrieb in Ostfriesland ist die Bünting-Gruppe in Leer, ein Handelsunternehmen mit zirka 7500 Beschäftigten, allerdings nicht alle davon in Ostfriesland. Als stabiler Faktor erweist sich die Industrie in Emden mit dem VW-Werk und den Nordseewerken sowie der Umschlag im Emder Hafen, der sich in den vergangenen rund zwei Jahrzehnten zum drittgrößten Autoverladehafen Europas gewandelt hat. Die Arbeitslosenquote ist seit Mitte der 1990er-Jahre zurückgegangen und liegt heute im deutschen Durchschnittsbereich.

Die Glaspaläste in Emden, die größten Wohnhäuser Ostfrieslands In den späten 1960ern und frühen 1970ern wurde in Norden ein umfangreiches Stadtsanierungsprogramm begonnen. Dadurch wurden viele kleine Arbeiterhäuschen abgerissen und durch als modern empfundene, bis zu achtgeschossige Wohnbauten ersetzt. Pläne, in der kleinteiligen Leeraner Altstadt eine sogenannte Flächensanierung vorzunehmen und die historischen Gebäude durch Wohn- und Geschäftsbauten des damaligen Zeitgeistes zu ersetzen, wurden nicht verwirklicht. Stattdessen wurden die meisten der alten Häuser saniert. Leer hat heute die am besten erhaltene historische Innenstadt Ostfrieslands. Pläne, auch einen Teil des Hafens zuzuschütten, wurden ebenfalls nicht verwirklicht.

In Emden wurde bereits 1959 das erste Hochhaus (acht Stockwerke) fertiggestellt. Ende der 1960er und Anfang der 1970er kamen mehrere bis zu elfgeschossige Hochhäuser hinzu, darunter die sogenannten Glaspaläste im Stadtteil Barenburg.

Mit der Nordseehalle (1972), der Kunsthalle (1986), der Johannes-a-Lasco-Bibliothek in Emden (1995) und kleineren Museen in anderen ostfriesischen Orten wurde die kulturelle Infrastruktur seit Anfang der 1970er deutlich ausgebaut. 1973 wurde Emden Fachhochschulstandort. Im Zuge der Kommunalreform wurde 1972 die vormals ostfriesische Gemeinde Gödens in die oldenburgische Gemeinde Sande eingegliedert. Innerhalb Ostfriesland wurden viele kleine Gemeinden mit einer teils nur dreistelligen Einwohnerzahl zu größeren Gemeinden oder Samtgemeinden verschmolzen. Auf diese Weise entstanden beispielsweise die Gemeinden Uplengen und Krummhörn aus jeweils 19 Gemeinden, die nur aus Dörfern und ihrem näheren Umland bestanden hatten. Auch haben Städte in größerem Umfang umliegende Gemeinden eingegliedert. Als Beispiel kann die Stadt Aurich angeführt werden, die 20 Gemeinden inkorporierte und damit auf eine Größe von 197 Quadratkilometern wuchs. Damit war der heutige Umfang der Städte und Gemeinden im Wesentlichen hergestellt. Seither gab es Änderungen bei den Städte- und Gemeindegrenzen nur noch durch Flächentausch in geringerem Umfang.

1978 wurde der Regierungsbezirk Aurich mit den Bezirken Osnabrück und Oldenburg im Regierungsbezirk Weser-Ems zusammengefasst. Seit 1978 ist Ostfriesland somit keine eigenständige Verwaltungseinheit mehr. Lediglich die Ostfriesische Landschaft als Landschaftsverband ist weiterhin ostfrieslandweit tätig ? politisch jedoch lediglich auf dem Gebiet der Kulturpolitik, wozu unter anderem die Pflege des Plattdeutschen, die Aufarbeitung der Geschichte Ostfrieslands, die Bewahrung des Kulturerbes und seit 2006 auch Teile des Regionalmarketings gehören. ?Die Landschaft?, wie sie kurz genannt wird, ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechts und ein höherer Kommunalverband, jedoch explizit keine Gebietskörperschaft. Die Landschaftsversammlung als oberstes Organ setzt sich aus gewählten Vertretern zusammen, die von den drei Kreistagen und dem Emder Stadtrat zu benennen sind und versteht sich als identitätsstiftende Institution aller Ostfriesen. Unter den Landschaften und Landschaftsverbänden in Niedersachsen ist die Ostfriesische Landschaft, 1464 ins Leben gerufen, mit Abstand die älteste ? alle anderen wurden erst im 20. Jahrhundert gegründet.